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Energiekrise, steigende Baupreise und die politische Vorgabe, bis 2045 für klimaneutrale Wohnungen zu sorgen – Wohnungsanbieter stehen vor vielen Herausforderungen, auch im Angesicht der sich ändernden demographischen Entwicklungen. Unter dem Motto „`Fairantwortung´ übernehmen: Wie wohnen zum Luxus wird – Kosten, Klima, Konsequenzen“ haben die Baugenossenschaft Dormagen eG (BGD) und der MEINFAIRMIETER Gütesiegel e.V. am 10. Oktober in Dormagen zu einer Informations- und Diskussionsveranstaltung geladen. Dabei sprachen die Vortragenden über die nahenden Herausforderungen und den Umgang mit ihnen.
In der Kulturhalle wurden vor interessierten Bürgern, Mietern, Fachleuten und Vertretern der Wohnungswirtschaft die Themen Energiewende, Wohnungsbau, Modernisierung, Demographie und Migration ganzheitlich beleuchtet und diskutiert. So konnten die aktuellen Entwicklungen über die tägliche Nachrichtenlage hinaus in einen größeren Kontext gesetzt werden, die Handlungsmöglichkeiten von Wohnungsanbietern wurden deutlich. Den Hauptvortrag hielt Matthias Günther, Vorstand des Pestel Institutes, das Kommunen, Unternehmen und Verbände zu Themen wie Wohnungsmärkte und Klimaschutz mit fachlicher Expertise unterstützt. Neben ihm hielten Axel Tomahogh-Seeth als Vorstandsmitglied der BGD, Bürgermeister Erik Lierenfeld und Kay Stolp, Vorstand von MeinFairmieter, Grußworte. An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen zudem Monika Meinke, Mieterin bei der BGD, und Michael Aach, Vorstandsmitglied der GWG Kreis Viersen teil.
Gemeinschaftliche Lösungen in Dormagen
Axel Tomahogh-Seeth betonte, dass die BGD in den fast hundert Jahren ihres Bestehens als solidarische Gemeinschaft schon viele fundamentale Krisen überstanden habe: „Heute haben wir wieder so eine Herausforderung. Als starke Gemeinschaft haben wir zusammen mit anderen Akteuren aus der Region auch jetzt schon gute Lösungen gefunden.“ Er betonte aber auch, dass Wohnungsanbieter auf politische Weichenstellungen angewiesen sind, um das richtige tun zu können. „Niemand wird es alleine schaffen!“ Bürgermeister Erik Lierenfeld stimmte dem zu: „In den letzten 10 Jahren ist der Dormagener Mietspiegel um einen Euro angestiegen – ein Alarmsignal. Ohne die Baugenossenschaft wäre er schon längst durch die Decke gegangen.“ Seiner Ansicht nach werden an die Wohnungswirtschaft zu viele zum Teil widersprüchliche Anforderungen gestellt: „Das Thema Wohnen wird leider auch durch die Politik immer mehr überfrachtet.“ Er forderte von allen politischen Akteuren mehr Mut, Blockaden für den Wohnungsbau zu lösen und stellte fest: „Für öffentlich geförderten Wohnungsraum zahlen wir als Kommunen im Moment richtig drauf.“
Gefragt ist Verantwortungsbewusstsein
Kay Stolp erläuterte, dass das Gütesiegel „MeinFairmieter“ etabliert wurde, damit sich faire und verantwortungsvolle Wohnungsanbieter sichtbar von solchen abheben können, denen es nur um Profit geht. Denn Verantwortungsbewusstsein sei in der aktuellen Lage von allen Akteuren gefordert: „Es braucht Partner, die nicht gierig sind.“ Er hob die BGD als Trägerin des Gütesiegels positiv hervor.
Kay Stolp (Verein MeinFairmieter), Axel-Tomahogh-Seeth (BGD), Bürgermeister Erik Lierenfeld, Matthias Günther (Pestel Institut) und Moderator Jan Franzkowiak beschäftigten sich mit dem Thema „Bezahlbarer Wohnraum“
Wachsende Bevölkerung, weniger Erwerbstätige
Matthias Günther gab dann eine tiefgreifende Analyse der Situation und einen Ausblick auf die künftige Bevölkerungsentwicklung in der Region Dormagen. Obwohl laut Prognosen die Bevölkerung in den nächsten Jahren ansteigen soll, sinkt demnach die Anzahl der Erwerbstätigen. Grund dafür ist unter anderem der Renteneintritt der Baby-Boomer und eine sinkende Geburtenrate in den Jahren danach. Die Region Dormagen unterscheidet sich in diesem Punkt nicht vom Bundesdurchschnitt. Folglich wird sich ein Großteil der Menschen keine großen und teuren Wohnungen leisten können, da diese von den Rentengehältern nicht bezahlt werden können. Seniorengerechte und günstige Wohnungen werden daher in Zukunft eine steigende Nachfrage erleben. Bis Mitte 2022 beträgt das Wohnungsdefizit in Dormagen rund 600 Wohnungen. Bei moderaten Zuwanderungsszenarien müssten in der Region insgesamt 150 neue Wohnungen pro Jahr entstehen, um die Nachfrage zu decken. Zuwanderung sei notwendig – doch: „Leider wird die Migrationsbewegung einseitig auf die 23 Millionen Mietwohnungen in Deutschland abgewälzt.“ Das setze den Mietwohnungsmarkt unter Druck, während Wohneigentümer kaum beteiligt würden.
Hohe Hürden für Wohnungsanbieter
Die Möglichkeiten, neuen Wohnraum zu schaffen, sei zudem begrenzt: „Bauen im Bestand ist sehr teuer geworden, die Vorgaben und Anforderungen an die Wohnungsanbieter sind zu hoch.“ Das spürten jetzt ärmere Bevölkerungsschichten besonders stark: „Die Menschen mit den geringsten Einkommen leben in den am schlechtesten gedämmten Wohnungen und sind daher von steigenden Energiekosten besonders betroffen“, so Günther. Besonders für sie müsse es daher sozialverträgliche und unbürokratische Angebote geben. Zwar gebe es auch Regionen mit einem Überschuss an Wohnungen und selbst innerhalb der Rhein-Ruhr-Region seien die Unterschiede sehr groß, doch weil Wohnungsmärkte lokal sind, fällt dies für Regionen mit Wohnungsmangel kaum ins Gewicht. Günther erläuterte auch die ehrgeizigen Klimaziele der deutschen Politik – es sei eine gewaltige Herausforderung, den gesamten Energiebedarf in Deutschland klimaneutral zu decken. Trotz effizienterer Technologien sinke beispielsweise der Energieverbrauch seit Jahren nicht, und regenerative Energien ersetzen zurzeit nur die frühere Kapazität der Atomenergie. Auch hier gehe vieles zu schwerfällig voran. Das Risiko sei demnach groß, dass Mieter dauerhaft mit hohen Kosten rechnen müssen.
Energiekrise als Herausforderung
„Diese Gefahr haben wir im Blick und wir tun unser Möglichstes, um unsere Mieter davor zu bewahren“, sagt Axel Tomahogh-Seeth, Vorstand der BGD. „Als Baugenossenschaft übernehmen wir gegenüber unseren Mietern die Verantwortung, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Diese Verantwortung wollen wir auch in herausfordernden Zeiten wahrnehmen.“ Die BGD ist als Vermieter der Vertragspartner des Energieversorgers und daher auch zuständig, die Kosten zu begleichen. Somit trägt sie das finanzielle Risiko, wenn ein Mieter Nachzahlungen nicht leisten kann. Daher setzt die Baugenossenschaft auf frühzeitige Kommunikation mit den Mietern: Sie gibt Energiespartipps, stellte individuelle Berechnungen der voraussichtlichen Kostensteigerung auf und vermittelt Anlaufstellen für die persönliche Beratung. Darüber hinaus setzt die BGD das um, was der Gesetzgeber ermöglicht. Dabei muss sie stets auch auf die Wirtschaftlichkeit achten.
Matthias Günther (Pestel Institut), Vortrag bezahlbarer Wohnraum. Foto: Niklaus Zumbusch
Teure Neubauten, teure Mieten?
Eine nachhaltige Lösung ist der Neubau energieeffizienter Wohnungen, in den die BGD zurzeit viel investiert. Doch ist auch die Politik gefordert, Subventionen für den sozialen Wohnungsbau zu erhöhen – die bisher zur Verfügung stehenden Mittel reichen nicht aus, um die in Deutschland benötigten 100.000 Sozialwohnungen pro Jahr zu schaffen. „Wir stehen im engen Kontakt mit der Politik, um die Interessen unserer Mieter nach bezahlbarem Wohnraum zu vertreten“, so Tomahogh-Seeth.
Trend geht in Richtung klimaneutraler kleinerer Wohnungen
Schaut man sich die Prognosen für die Anzahl an Single-Haushalten an, so lässt sich, im Vergleich zu anderen Haushaltsformen, eine steigende Tendenz feststellen. Angesichts von Energie- und Mobilitätswende rät Matthias Günther in seinem Vortrag zum Bau kleinerer Wohnungen – während die Wohnfläche pro Mieter in Deutschland seit 1990 stark angestiegen ist. Die politische Forderung bis 2045 für klimaneutrale Wohnungen zu sorgen, stellt eine Verschärfung der Zielsetzung der BGD dar. Schon lange war es der Baugenossenschaft ein Anliegen, bezahlbare und klimafreundliche Wohnungen zu bauen. Aufgrund dessen wird sich der Bau von klimaneutralen Wohnungen immer stärker auf bereits bestehende Häuser verlagern. Diese müssen entweder neu verdichtet oder neu gebaut werden. Bei Neubauprojekten wie dem neuen Quartier Horrem wird gleich von Beginn an das Klima mitgedacht – es wird stark darauf geachtet, die Objekte so klimafreundlich wie möglich zu gestalten.
„Wenn wir als Baugenossenschaft nicht schon so lange zukunftsorientiert geplant hätten, wären wir nicht da, wo wir heute sind“, unterstreicht Tomahogh-Seeth. „Und alle Herausforderungen, die auf dem Weg dazukommen, lösen wir im Dialog mit unseren Mietern und der Politik. Ganz nach unseren Werten: Solidarität, Mitbestimmung und Demokratie.“